Im Interview: Martin Müller, Vizepräsident des eSport-Bund Deutschland

Am Wirtschaftsstandort Kiel entsteht das bundesweit erste von Land und Stadt geförderte Landeszentrum für eSport und Digitalisierung (LEZ).
Unser Social-Media-Team hat ein paar Fragen an
Martin Müller, Vizepräsident des eSport-Bund Deutschland und Projektleiter des LEZ, gestellt:

Moin Herr Müller und vielen Dank für Ihre Zeit. Das LEZ hat seinen Standort an der Holstenbrücke gefunden und ist damit mitten in Kiel platziert. Wie fühlt sich die nun finale Standortwahl für Sie an?
Müller: Der Standort ist großartig: mitten am Kleinen-Kiel-Kanal in der Innenstadt, nah dran an praktisch allem und mit einer sehr guten ÖPNV-Anbindung. Wir sind erleichtert, einen finalen Standort gefunden zu haben, der dazu noch so ein großes Potenzial hat: Das LEZ SH wird Teil der Visitenkarte Kiels. Wir freuen uns, die finalen baulichen Tätigkeiten jetzt in die Wege zu leiten.

Die offizielle Eröffnung des LEZ ist fürs erste Quartal 2020 geplant. Mögen Sie uns einen Einblick geben, ob es auch in diesem Jahr noch Veranstaltungen gibt?
Müller: Wir haben in diesem Jahr noch ein Pressegespräch mit Staatssekretärin Kristina Herbst, Staatssekretär Tobias Goldschmidt und Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer geplant, bei dem wir unseren Gästen nicht nur das Projekt LEZ SH und unsere Pläne und Vision vom eSport-Standort Schleswig-Holstein vermitteln wollen, sondern auch eine ganz praktische Hands-On-Erfahrung mit einem Live-Showtraining der Campus eSport-Hochschulgruppe der CAU.

Ansonsten nehmen wir bereits in diesem Jahr noch vor dem Umbau unsere Arbeit in einem rudimentär eingerichteten Büro auf. Im ersten Quartal 2020 werden wir dann auch inhaltlich und nicht nur organisatorisch in die Arbeit einsteigen. Dazu bereiten wir mobile Angebote vor, die auch schon vor der Eröffnung des LEZ SH zum Beispiel an Schulen, in Jugendtreffs, in Unternehmen oder bei Veranstaltungen zum Einsatz kommen können.

Sie waren in den letzten Monaten enorm viel in Kiel unterwegs. Was stand in Ihren Terminen – neben der Standortsuche für das LEZ – im Fokus?
Müller: Im Fokus lag für mich das Identifizieren und Kennenlernen der Institutionen und Akteure des eSport-Standorts in Kiel und Schleswig-Holstein, wobei mir die Kieler Wirtschaftsförderung, Kiel-Marketing und auch die Landesebene von Anfang stark unter die Arme gegriffen haben, wofür ich sehr dankbar bin. Dazu habe ich außerordentlich viele Gespräche mit Verbänden, Unternehmen, der Politik, Vereinen oder auch dem Jugendschutz geführt und ausgelotet, wie wir all diese Akteure im eSport-Standort Schleswig-Holstein über das LEZ vernetzen und mit dem versorgen können, was sie brauchen: Wissen, Beratung, Netzwerke, Ansprechpartner*innen.

Über das hinter uns liegende Jahr habe ich ein starkes Netzwerk aufbauen können, aus dem wir mit dem LEZ als Katalysator jetzt Kiel und Schleswig-Holstein zu einem eSport-Standort ausbauen werden, der bundesweit seinesgleichen sucht. 

In diesem Zuge haben Sie sich ein ausgiebiges Bild vom Wirtschaftsstandort Kiel verschaffen können. Wie ist Ihr Eindruck?
Müller: Kiel ist eine sehr junge und innovative Stadt, die Potenziale und Chancen der Digitalisierung erkennt und auch willig ist, sie zu ergreifen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Digitale Woche Kiel, bei der wir dieses Jahr auch schon mit einem eSport-Präsenztraining mit dabei waren.

Kiel ist stark und weiterhin wachsend im Bereich Start-Up und Digitalwirtschaft, wie man unschwer am DiWiSH-Cluster erkennen kann. Auch die Kieler Wirtschaftsförderung und die Stadtverwaltung mitsamt der Kommunalpolitik sind dabei, den Wirtschaftsstandort Kiel weiter zu pushen: nicht umsonst gibt es mittlerweile eine Städtepartnerschaft mit San Francisco, zu dem ja auch das Silicon Valley gehört.

Insgesamt wird sich das LEZ SH als eSportzentrum und als Digitaler Knotenpunkt des Landes Schleswig-Holstein passgenau in den Wirtschaftsstandort Kiel einfügen und ihn an vielen Stellen bereichern können, die bisher noch die wenigsten auf dem Schirm hatten.

Welche Bedeutung hat eSport in wirtschaftlichem Kontext?
Müller: Der eSport selbst ist ein wachsender Wirtschaftsfaktor, der sich dynamisch entwickelt und in Schleswig-Holstein bisher noch keine große Rolle spielt. Wir sind hier, um das zu ändern. Wir spüren eine deutliche und immer stärker werdende Dynamik, eine immer größer werdende Zahl von Akteuren, die sich mit dem Thema eSport und seinen Potenzialen beschäftigen möchten.

Für Unternehmen und die Digitalwirtschaft kann eSport eine Chance sein sich mit neuen Märkten zu beschäftigen, sich an bisher unerschlossenen Zielgruppen zu orientieren und sich dort wirksam bekannt zu machen, wie es zum Beispiel acer als einer der größten deutschen Hardware-Hersteller in Schleswig-Holstein schon erfolgreich praktiziert.

Bezogen auf lokale und regionale Unternehmen: Inwieweit kann eSport für diese Akteure ein wichtiges Thema sein?
Müller: Der eSport ist in Sachen Marketing, Human Resources und Produktentwicklung für Unternehmen aller Wirtschaftsbereiche interessant. So können z.B. auch “fachfremde” Unternehmen mit betriebseigenen eSport-Teams für eine stärkere Identifikation der Mitarbeiter mit dem eigenen Unternehmen sorgen.

Gleichzeitig berührt der eSport viele andere Bereiche: da ist zum Beispiel der Großbereich Medienproduktion und Content Creation, der beim eSport immer dazugehört, da die Veranstaltungen und Spiele auch immer möglichst barrierefrei und direkt an ein Publikum übertragen werden müssen.

Auch im Eventbereich oder weitergedacht auch im Bereich Tourismus kann der eSport für lokale und regionale Unternehmen wichtig werden. Je weiter wir den eSport-Standort vor Ort weiterentwickeln, umso mehr Wirtschaftszweige werden darin eingebunden und umso mehr werden wir alle hier davon profitieren.

Im Prinzip gilt es zu prüfen, welche Ziele ein Unternehmen für sich definiert und inwieweit eSport hier helfen kann. Aus unserer Erfahrung finden sich zu nahezu allen Branchen Schnittstellen, die jedoch passgenau auf die Ziele ausgearbeitet werden müssen.

Was haben Sie bis zur offiziellen Eröffnung noch zu erledigen?
Müller: Wir sind aktuell voll ausgelastet: Planung, Gestaltung, Umbau und Einrichtung unserer physischen Räume an der Holstenbrücke haben jetzt oberste Priorität. Darüber hinaus befinden wir uns aber auch im Aufbau unserer mobilen Angebote und in der Eventplanung für das kommende Jahr. Nebenbei bauen wir unsere sehr motivierte Gruppe an ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen immer weiter auf und aus und gewinnen quer durch alle Branchen Unterstützer*innen für unser Projekt. Ein gutes Beispiel ist unsere erfolgreiche Aktion Grundstein, mit der wir um Mittel für Ausgaben werben, die nicht von unseren Fördermitteln abgedeckt werden können.

Welche Kooperationen mit lokalen Akteuren sind bereits spruchreif?
Müller: Wir führen intensive und produktive Gespräche mit zahlreichen lokalen Akteuren. Die offiziellen Bekanntmachungen dazu folgen aber noch. Mit Dataport als Unterstützer sind wir bereits Ende Oktober zur eSport-Veranstaltung ESL One in die Barclaycard Arena nach Hamburg gefahren. 

Ein großer Teil unserer Gespräche findet momentan auch mit Unternehmen und Verbänden, sowie Schulen und Einrichtungen der Jugendhilfe statt. Wenn wir unsere baulichen Tätigkeiten im LEZ abgeschlossen haben, werden wichtige Ressourcen frei, hier inhaltlich noch stärker einzusteigen. 

 

Herr Müller, vielen Dank für die interessanten und ausführlichen Antworten.